Die Sache mit dem Wohlfühlbäuchlein

by Jessica Kalbermatter |

Content Warnung: in diesem Blog Post werden die Themen Ernährung, Körperbilder und Essstörung angesprochen. Wenn dir das grad zu viel ist, schliess das Fenster und öffne es an einem späteren Zeitpunkt wieder. ❤

Das Wohlfühlbäuchlein - für mich ein Wort, das mich seit meiner Jugend begleitet. Als wir Zeitschriften konsumiert haben, die sowohl jungen Mädchen als auch gestandenen Frauen suggeriert haben, nicht perfekt zu sein. Nun ja, ich erinnere mich noch daran, als mir das Wort in einem dieser "Frauenmagazine" zum ersten Mal über den Weg gelaufen ist. Das Wohlfühlbäuchlein. Die einzigen Situationen, in denen die Verwendung dieses Wortes damals Anwendung fand war, wenn ein Schauspieler (jep, männlich) glücklich in einer neuen Beziehung war oder aber wenn eine Schwangerschaft bei einer prominenten Frau vermutet wurde. Aus anderen Gründen wäre das Wohlfühlbäuchlein durch das Wort Speckschwarte ersetzt worden. Schade.

Ich lese diese Zeitschriften schon lange nicht mehr, es geht mir besser ohne sie. Ich hab gelernt, dass mein Körper eine gewisse Menge an Kalorien pro Tag benötigt, um überhaupt funktionieren zu können. Ich hab auch gelernt, dass ich zyklusbedingt manchmal mehr Appetit habe, phasenweise zu Hautunreinheiten neige und Cellulite - die hatte ich schon mit 14. So who the fuck cares. Heute weiss ich, woher der ganze Hass auf meinen Körper kam. Kein Mensch empfindet von Natur aus Hass auf Teile von sich selber. Nein, Selbsthass wird antrainiert, oft schon im Kindesalter, indem mensch am Mittagstisch von Verwandten gesagt bekommt, lieber nicht zu viel zu essen. Wir nehmen es auf wie ein Schwamm. Wenn Mama beim Kaffee mit ihrer Freundin sagt "ich kann so kurze Kleider nicht tragen - meine Beine sind zu dick dafür" oder "Bikinis kann ich nicht tragen, ich hab so kleine Brüste und Dehnungsstreifen am Bauch von zwei Geburten", dann nehmen wir das auf. Wir sehen diese Makel an Mama bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber wir lernen, dass die Art, wie sie aussieht offenbar nicht richtig ist. Das wird in unserem Hirn dann fachkundig verarbeitet, abgeheftet und einsortiert. Wir sehen uns Filme an, in denen schlanke Schauspieler*innen als fett bezeichnet werden. Ah, das ist also immer noch nicht gut genug, immer noch unperfekt. Überhaupt ist Perfektion beim Körper ein fluides Bild, das sich immer wieder verändert und uns quasi immer einen Schritt voraus ist. Und wo hat hier das Wohlfühlbäuchlein platz?

Durch jahrelangen Aktivismus im Body Positivity und Body Acceptance Bereich gibt es mittlerweile zumindest eine Nische dafür. Eine Nische, in der ich mich wiedergefunden und neu kennen gelernt habe. Wie viel mehr Platz für andere Gedanken plötzlich im Hirn bereitsteht, wenn es sich nicht mehr 24/7 alles ums Essen dreht. Wie viele Kalorien ich schon zu mir genommen habe, was ich mir zum Abendessen noch erlauben darf, wenn ich mir mittags Pasta gegessen habe. Die Überlegung, ob ich mich übergeben soll, wenn ich aus einer Binge-Eating Attacke heraus eine komplette Packung Chips verdrücke plus Schokoladenkekse. Ich will nicht lügen: acht Jahre, nachdem ich aus dieser gedanklichen Teufelsspirale ausgestiegen bin, habe ich auch heute noch manchmal Mühe damit, mich zu akzeptieren, wie ich bin. Mir nicht als Strafe Sport zu verordnen, weil ich mir ein Dessert gegönnt habe. Überhaupt: Sport und Bewegung als etwas Positives zu sehen, das mir auch viel zurückgibt. Denn auch wenn ich nicht Kleidergrösse 36 trage: Ich bewege mich sehr gerne, bin gerne draussen unterwegs ob nun mit Fahrrad oder zu Fuss.
Letztendlich ist es wie bei allem im Leben: es gibt gute und schlechte Tage. Ich bin einfach unheimlich froh, dass die guten Tage mittlerweile die schlechten überwiegen. Dass ich sowas ähnliches wie Frieden mit meinem Körper schliessen konnte und mich mit meinem Wohlfühlbäuchlein angefreundet habe.

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